201404.24
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„Banken haben sich ein Bein gestellt“

Am 24. April berichtet das Pfälzer Tageblatt über Wechsel aus laufenden Kreditverträgen und sprach dafür auch mit Rechtsanwalt Joachim Brückner.

Banken haben sich ein Bein gestellt

„Häuslebauer können Geld sparen: Unter Umständen ist der Wechsel aus einem laufenden Kreditvertrag
in einen mit günstigeren Zinsen möglich, ohne dafür dem Kreditgeber einen Abschlag zahlen zu müssen.
Eine Recherche der RHEINPFALZ in der Südpfalz bestätigt entsprechende Angaben der Verbraucherzentrale Hamburg.

VON ANDREAS SCHLICK

Der Kandeler Rechtsanwalt Joachim Brückner, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, der auch im Bank- und Kapitalmarktrecht berät, vertritt derzeit mehrere Mandanten in solchen Fällen, auch zwei Klien- ten aus der Region gegen zwei süd- pfälzische Banken, wie er sagt.

Und darum geht es: Die Verbraucherzentrale Hamburg hat bei einer Analyse von 300 Immobiliendarlehensverträgen von Banken, Bau- sparkassen und Versicherungen festgestellt, dass bei über zwei Dritteln aller Kontrakte die Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist (wir berich- teten schon einmal auf der Seite Wirtschaft).

Der Verbraucherschutz rät: „Nicht wild widerrufen, sondern sich beraten lassen.“

Eine Widerrufsbelehrung gibt Kunden eine gesetzlich geregelte Überlegungsfrist, das heißt, sie können in einem gewissen Zeitrahmen nach Vertragsabschluss noch aus- steigen. Sind Belehrungen in Immobiliendarlehensverträgen aber un- sauber formuliert, hat diese Zeit- spanne sozusagen nie begonnen, man kann also „selbst nach Jahren, eigentlich auch nach Jahrzehnten noch widerrufen“, sagt Christian Schmid-Burgk von der Verbraucher- zentrale Hamburg. Vor allem gelte dies für Verträge, die ab 2001 ge- schlossen wurden.

Die Entdeckung der Verbraucherschützer kann für Häuslebauer Konsequenzen haben – und zwar gute. Sie könnten mit dem Nachweis über eine formal falsche Widerrufsbelehrung in einen neuen, vermutlich zinsgünstigeren Vertrag wechseln, ohne dem Kreditgeber einen Ab- schlag, eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung, zahlen zu müssen. Derzeit sind die Zinsen auf historischem Tiefstand von im Schnitt weniger als drei Prozent, während sie 2002 bei zehnjähriger Festschreibung noch deutlich über fünf Prozent lagen. Der Kunde muss einen neuen Kreditgeber finden oder den bisherigen dazu bringen, ihm neue Konditionen einzuräumen. „Die Banken haben sich selbst ein

TIPPS UND BERATUNG

Die Verbraucherzentrale

Die Verbraucherzentrale Ham- burg bietet für 70 Euro ein 45-minütiges Beratungsgespräch und ein Mini-Gutachten über den je- weiligen Kreditvertrag an. Anwälte prüfen in den Kontrakten, ob Widerrufsbelehrungen Mängel aufweisen. Den Vertrag kann man nach dem Gespräch per Post oder per Mail an die Verbraucherschützer schicken. Man erhält Antwort und kann dann einen Anwalt einschalten, falls die Fachleute Fehler feststellen. 9000 Anfragen seien mittlerweile gekommen. Die Verbraucherzentrale führt eine Liste mit Fachanwälten, die seriöse Arbeit machen. Dieses Angebot bieten die Hamburger an, weil sie Urheber der Kreditanalyse sind, deshalb auch die Expertise haben. Erreichen kann man die Organisation per Telefon unter 040-248 320 oder per E-Mail unter der Adresse termine@vzhh.de. Weitere Infos gibt’s im auch im Internet auf www.vzhh.de. (ansc)

Bein gestellt, sie haben handwerkliche Fehler gemacht“, sagt der Jurist Schmid-Burgk, der die Immobilienfinanzierungs-Abteilung der Verbraucherschützer leitet.

Wie kam es dazu? „Der Gesetzgeber hat strenge Auflagen gemacht, die seit 2001 gelten. Deshalb müssen Widerrufsbelehrungen Formalia entsprechen, manchmal kommt es auf ein Wort an“, erklärt Schmid-Burgk. Er empfiehlt: „Nicht wild widerrufen, sondern sich beraten las- sen. Von uns oder einem Anwalt.“

Die Rechtssprechung zu Widerrufsbelehrungen sei klar, sagt Anwalt Brückner.

Ein fiktives Beispiel zur Veranschaulichung: Herr Müller baut sich 2005 ein Haus und nimmt dafür ein Darlehen auf. Aufgrund der damaligen Zinslage muss er mehr an die Bank zahlen, als wenn er zum heutigen Zeitpunkt einen Kredit nehmen würde. Er hat das Interesse, in einen günstigeren Kontrakt zu wechseln. Doch Banken verlangen in solchen Fällen Vorfälligkeitsentschädigungen, weil sie durch die Zinserträge, die sie dann nicht bekommen würden, eine fest eingeplante Einnahme verlieren würde. Kann Herr Müller nachweisen, dass in seinem Vertrag die Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist, kann er die Bank auffordern, ihn ohne die Zahlung in einen zinsärmeren Vertrag wechseln zu lassen. Die Chancen dafür stünden gut, so Schmid-Burgk.

Laut Rechtsanwalt Brückner geht es vor allem um Verträge, die zwischen 2002 und 2010 geschlossen wurden. Er weist darauf hin, dass man sogar bereits gezahlte Vorfälligkeitsentschädigungen zurückholen könne. „Die Rechtssprechung ist klar. Es gibt mehrere Urteile des Bundesgerichtshofs.“ Der Anwalt stellt klar, dass man nicht immer klagen müsse, sich mit Banken auch außergerichtlich einigen könne.

Zur Sache: Das sagen die Banken

Das Problem formal falscher Widerrufsbelehrungen in Immobilienkreditverträgen zieht sich laut Verbraucherzentrale Hamburg durch Institute aller Bereiche: private, öffentlich-rechtliche und genossenschaftliche. Die RHEINPFALZ hat zwei südpfälzische Banken zu die- sem Thema befragt.

Christoph Ochs, Vorstand der VR- Bank Südpfalz, sieht die Sache gelassen. „Wir haben uns die Urteile an- geschaut, aber bis jetzt hatten wir nur drei oder vier Kunden, die angefragt haben. Unsere Formulierungen stimmen mit den Forderungen des Gesetzgebers überein.“ Trotz- dem schaue man sich jeden Fall an. Als regionale Bank habe man mit Kunden ein vertrauensvolles Verhältnis, diese seien daran interes- siert, dass beide Seiten sich an Ver- träge hielten und nicht eine Chance zum Vertragsbruch nutzten.

„In der aktuellen Niedrigzinsphase versuchen einige wenige Kunden, sich durch den Hinweis auf einen aus ihrer Sicht bestehenden Formfehler bei den Widerrufsbelehrungen von langfristigen Darlehensverträgen zu lösen“, teilt die Sparkasse SÜW auf Anfrage mit. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband sei überzeugt, dass die Widerrufsbelehrungen der ihm angehörenden Häuser nicht zu beanstanden seien. „Daran vermögen auch geringfügige formale Abweichungen vom gesetz- lichen Muster nichts zu ändern.“ Mehrere Gerichte hätten Widerrufsbelehrungen für ordnungsgemäß erachtet, da Abweichungen als geringfügig bewertet worden seien.

Laut Verbraucherschützern ha- ben vor allem Sparkassen und Genossenschaftsbanken abenteuerliche Begründungen für formale Feh- ler in Darlehensverträgen. (ansc)“