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„Die Ausstiegsoption“

Rechtsanwalt Joachim Brückner im Pfälzer Tageblatt vom 13.08.2014

Die Ausstiegsoption


„NACHGEHAKT: Formfehler bei Immobiliendarlehen: Kunden können umsteigen

Unter Umständen ist es möglich, aus einem laufenden Kreditvertrag für eine Immobilie auszusteigen und in einen mit günstigeren Zin- sen zu wechseln, ohne dem Kreditgeber dafür eine Entschädigung in Form einer Vorfälligkeitsentschädigung zahlen zu müssen (wir berichteten am 24. April). Grund dafür sind formal fehlerhafte Widerrufsbelehrungen. Der Kandeler Anwalt Joachim Brückner betreut einige dieser Fälle. Und hat damit Erfolg: „Die Banken lenken meist ein.“


Wie berichtet, hatte die Verbraucher- zentrale Hamburg bei einer Analyse von 300 Immobiliendarlehensverträgen von Banken, Bausparkassen und Versicherungen herausgefunden, dass bei über zwei Drittel der Kontrakte fehlerhafte Widerrufsbelehrungen zu finden sind. Dabei handele es sich um Verträge, die zwischen 2002 und 2010 geschlossen wurden. Widerrufsbelehrungen sollen Kunden eine gesetzlich geregelte Überlegungsfrist geben. Dadurch können sie in einem bestimmten Zeitraum aus einem bereits abge- schlossenen Vertrag ohne eine Strafzahlung aussteigen.


Entspricht eine Widerrufsbelehrung nicht bestimmten Formalien, etwa gewissen Formulierungen, hat diese Bedenkzeit im Grunde nie begonnen, der Kunde kann widerrufen, aus dem Vertrag noch Jahre später aussteigen. Er muss keine Vorfälligkeitsentschädigung – eine Art Aus- gleich für den entgangenen Zinsgewinn – an den Kreditgeber zahlen. Einzige Bedingung: Eine Bank muss die Anschlussfinanzierung übernehmen, einen neuen Vertrag anbieten. Die Verbraucherzentrale rät dazu, nicht kopflos zu widerrufen, sondern sich beraten zu lassen.


Eine Familie aus Landau muss nur noch 1,95 anstatt 4,65 Prozent Zinsen zahlen.


Häuslebauer scheinen das Angebot zu nutzen, denn selten waren die Zinsen so niedrig. Seit diese Vertragsfehler in der Öffentlichkeit zum Thema wurden, hat Joachim Brückner, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und angehender Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarkt- recht in Kandel, eine Vielzahl von An- fragen. „Es kommen Klienten aus nah und fern.“


Brückner hat auch gegen südpfälzische Banken punkten können. So habe eine Familie aus Landau, die ein Darlehen bei der VR Bank Südpfalz hatte und monatlich 4,65 Prozent zahlen musste, zu einer anderen ortsansässigen Bank wechseln können. Dort koste der Kredit nur noch 1,95 Prozent Zins. Derzeit liefen auch Verhandlungen mit der Sparkasse Südliche Weinstraße in einem ver- gleichbaren Fall. „Die regionalen Anbieter verhalten sich klug. Sie wissen, dass sie nicht herauskommen. Somit laden sie die Kunden zum Gespräch, versuchen sich zu einigen und bieten Folgeverträge an“, erklärt Brückner. Die überregionalen Anbieter seien öfter stur. Eine Bank versuche auch, den Kunden zwar einen neuen Ver- trag anzubieten, aber nicht zu den marktkonformen Zinskonditionen. Brückner hat den Eindruck, dass sehr viel mehr Verträge Fehler in sich bergen als die von der Verbraucherzentrale auf zwei Drittel geschätzten.


Kunden könnten nicht nur die Vorfälligkeitsentschädigung umgehen, sondern auch die Zinsen zurückverlangen, die die Banken aus den ge- leisteten Zahlungen der Kreditkunden erwirtschaftet haben, weil der Vertrag auf den Urzustand rückabgewickelt werden muss. Das heißt: Der Kunde bekommt unter Umständen den von der Bank mit seinem Geld er- wirtschafteten Mehrwert. „Das kann dann ein richtig großer Batzen Geld sein“, sagt Brückner. (ansc)“