201910.02
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Frankfurt am Main: VW haftet Käufern von Fahrzeugen mit EA 189-Motor wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung

Volkswagen haftet Käufern von Fahrzeugen, die mit dem Motor EA 189 ausgestattet sind, wegen der verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung auf Schadensersatz. Dies geht aus einem Beweisbeschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25.09.2019 hervor. Verlange der Käufer die Rückerstattung des Kaufpreises, müsse er sich die während der Nutzungszeit eingetretene Wertminderung, die durch ein Sachverständigengutachten zu ermitteln sei, anrechnen lassen (Az.: 17 U 45/19).

Landgericht wies Klage ab

Der Kläger hatte im Mai 2009 einen VW Tiguan 2,0 l TDI gekauft. Das Fahrzeug ist mit dem Dieselmotor der Baureihe EA 189 EU 5 ausgestattet. Unter Berufung auf den sogenannten Dieselskandal begehrte er von VW Schadensersatz in Form der Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Hiergegen richtete sich die Berufung des Klägers.

OLG: Käufer vorsätzlich sittenwidrig geschädigt

Das OLG hat jetzt einen Beweisbeschluss erlassen. Es stellt zunächst fest, dass dem Kläger dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch wegen sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB) gegen die VW AG zustehe. Die Entwicklung und das Inverkehrbringen des mit dem Motor EA 189 ausgestatteten Fahrzeugs, das zur Erlangung einer EG-Typgenehmigung mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen gewesen sei, stelle eine sittenwidrige Handlung von VW dar. Manipulationen und falsche Angaben, mit denen gegenüber Behörden die Einhaltung rechtlicher Vorgaben vorgespiegelt werden sollen, könnten eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung eines Dritten – hier des Käufers – begründen, führt das OLG unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BGH aus.

Betriebserlaubnis der Fahrzeuge durch Abschalteinrichtung bedroht

Voraussetzung sei, dass die Vermögensinteressen unbeteiligter Dritter, hier der Käufer, sehenden Auges gefährdet würden, darin eine besondere Bedenkenlosigkeit ihnen gegenüber zum Ausdruck komme und die Sittenwidrigkeit gerade im Verhältnis zum Geschädigten bestehe. Dies sei hier der Fall. Durch die Abschalteinrichtung sei unschwer erkennbar die Betriebserlaubnis der Fahrzeuge bedroht gewesen. Die Gefährdung sei auch nicht lediglich eine zufällige Begleiterscheinung des Handelns gewesen. Die Beklagte habe davon profitiert, dass es sich bei einem Auto um einen Alltagsgegenstand handele, bei dem das Zustandekommen der erforderlichen behördlichen Genehmigungen und der diesen zugrunde liegenden Messwerte vom angesprochenen Publikum regelmäßig nicht hinterfragt würden.

Schaden durch Software-Update nicht entfallen

Der Kläger habe auch einen Schaden erlitten. Unabhängig vom tatsächlichen wirtschaftlichen Wert des erworbenen Fahrzeugs sei er durch die Verpflichtung zur Auszahlung des Kaufpreises belastet worden und habe dafür ein Fahrzeug mit einer nicht gesetzeskonformen Motorsteuerungssoftware erhalten sollen, die die Zulassungsfähigkeit von Anfang an in Frage stellte, so das OLG. Da für den Schadenseintritt der Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs maßgeblich sei, sei der Schaden auch nicht später durch das Aufspielen des Software-Updates entfallen.

VW muss sich Handeln seiner Vorstandsmitglieder zurechnen lassen

Die Vorschriften über die Typgenehmigung hätten eine marktsteuernde Zielrichtung, so dass der Makel der Typgenehmigung auf die zivilrechtlich geschlossenen Verträge durchschlage, so das OLG weiter. Die Erwerber unterfielen damit dem Schutzbereich dieser Vorschriften. Die Beklagte habe auch nicht auf einen glücklichen Ausgang in Bezug auf die Zulassungsfähigkeit vertrauen können, so dass vorsätzliches Handeln gegeben sei. Hierbei müsse sich die Beklagte das Handeln ihrer Vorstandsmitglieder zurechnen lassen.

Sachverständigengutachten zur Ermittlung der Wertminderung erforderlich

Laut OLG kann der Kläger damit grundsätzlich den gezahlten Kaufpreis zurückverlangen gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Der Höhe nach sei die Sache allerdings noch nicht entscheidungsreif. Aufgrund des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots müsse sich der Käufer die Vorteile, die er durch den Besitz des Fahrzeugs gehabt habe, anrechnen lassen. Hier habe er jedenfalls Aufwendungen in Form des Wertverlusts, den er ansonsten bei einem alternativ angeschafften Fahrzeug erlitten hätte, erspart. Die Höhe des anzurechnenden Wertverlusts eines vergleichbaren Fahrzeugs ohne Abschalteinrichtung während der hier maßgeblichen Laufleistung von über 135.000 Kilometern sei von einem Sachverständigen zu ermitteln.

(Text abrufbar unter https://rsw.beck.de/aktuell/meldung/olg-frankfurt-am-main-vw-haftet-kaeufern-von-fahrzeugen-mit-ea-189-motor-wegen-vorsaetzlicher-sittenwidriger-schaedigung )